„Berlin ist schließlich nicht allein auf diesem Planeten“ 

 

sprach Michael Firyn, Chef der Taxi-Union Königs Wusterhausen im Tagesspiegel vom 27./28. Oktober 2012; und wir, die so gescholtenen  Berliner,  beginnen sogleich  finsteren Gedanken nachzuhängen. Wir neigen dann dazu, nur noch das zu sehen, was nicht funktioniert und stellen sofort die Frage nach dem Schuldigen. Uns selbst erleben wir dabei gerne als Opfer der Umstände und weisen jede Mitverantwortung weit von uns. Doch wir alle wissen: zeigt mein Zeigefinger auf den, den ich als Schuldigen ausmache, sind meine restlichen Finger allesamt auf mich selbst gerichtet. Aber Vorsicht: wir wollen es jetzt nicht mit der  Selbstkritik übertreiben. Stattdessen  wollen und  sollten wir uns denjenigen zuwenden, die wir für die Misere unseres Gewerbes verantwortlich machen können. 

 


 

In naher Zukunft: Hauptstadt ohne Flughafen – Flughafen ohne Berliner Taxen?

 

In Berlin werden alle Flughäfen ersatzlos geschlossen. Der neue Standort, wenn auch direkt vor den Toren der Stadt, liegt außerhalb der Berliner Landesgrenzen im Land Brandenburg, genauer im Landkreis Dahme Spree und da in der Gemeinde Schönefeld. Dass ein Flughafen wichtig ist für das örtliche Taxigewerbe und umgekehrt, das Taxigewerbe für einen Flughafen, dürfte allen auch schon bekannt gewesen sein, als die Entscheidung für den Standort Schönefeld getroffen wurde. Nur haben es alle Beteiligten, Flughafenplaner, Politiker, die Experten der zuständigen Verwaltungen und nicht zuletzt die schlauen Köpfe des Taxigewerbes einträchtig versäumt, dafür Vorsorge zu treffen. Vielleicht haben ja auch alle auf die Wiedervereinigung… Entschuldigung: auf die Länderfusion Berlin-Brandenburg gehofft, die ihnen die Verantwortung abgenommen hätte. 

 

Wer weiß, vielleicht nahmen die Berliner ja auch nur die überschaubare Größe des Taxigewerbes des Landkreises nicht ernst und hielten sich selbst am neuen Standort für unersetzlich. Möglicherweise war es aber auch nur der unerschütterliche Glaube an den guten Willen aller Beteiligten und das freundschaftliche Verhältnis der Behörden aus Berlin und dem Landkreis. Was auch immer die Beteiligten bewegte, sich nicht zu bewegen: für diese neue und für das Berliner Taxigewerbe und seine Beschäftigten existentielle Situation wurde nichts festgeschrieben, keine Zuständigkeiten geregelt und alles dem üblichen Lauf überlassen – was heute bedeutet, dass ein Landrat aus dem Spreewald über Wohl und Wehe des Berliner Taxigewerbes entscheidet. 

 

Für das deutsche Taxigewerbe ist die Hauptstadt ein besonders bedeutender Standort: mit seinen ca. 7.300 Droschken repräsentiert es ungefähr zwanzig Prozent des gesamten deutschen Gewerbes. Und als Teil des Öffentlichen Personen Nahverkehrs (ÖPNV), den es ergänzt und verdichtet und der ohne das Taxi nicht vorstellbar wäre, untersteht es der besonderen Sorgfaltspflicht der Politik. Wir Taxler erfüllen alle unsere personenbeförderungsrechtlichen Pflichten (Tarifpflicht, Beförderungspflicht, Betriebspflicht, u. s. w.), dafür garantieren uns Politik und Behörden die Funktionsfähigkeit, d.h. die Wirtschaftlichkeit unseres Gewerbes, in dem sie durch Steuerung, Kontrollen und Vorgaben den dafür  notwendigen Rahmen schaffen und bewahren. Für die angemessene Beteiligung des Berliner Taxigewerbes am Hauptstadt-Flughafen in Brandenburg tragen damit nicht nur  Berliner Politiker eine ganz besondere Verantwortung. Tatsächlich aber sollen heute vertragliche Vereinbarungen zwischen Berlin und dem Landkreis das sicherstellen, was bisher versäumt wurde. Und dabei überlässt die Politik das Sagen der Ebene eines Kreistages und macht Berlin zum Bittsteller beim Landrat aus dem Spreewald.

  

Wo sind also die Schuldigen? 

 

Natürlich in Politik und Verwaltung, die hier schon bei der Planung für Rechtssicherheit für das Berliner Taxigewerbe hätten sorgen müssen. Abgesehen davon, dass es um einen Teil des ÖPNV der Bundeshauptstadt geht, unbeachtet auch der ersatzlosen Aufgabe der Berliner Flughäfen, müsste ein Bund–Länder-Projekt politisch in jedem Fall auf höherer Ebene und kompetenter gesteuert werden als von einem Landkreis, der selbstredend eigene gewerbepolitische Interessen verfolgt und für den die Dimensionen bei weitem nicht zu überschauen sind. 

 

Da der Zeigefinger gerade ausgestreckt ist: wer sind denn die neuen Unternehmen im Taxigewerbe des Landkreises Dahme Spree? Sind da nicht viele aktiv, deren eigentlicher Wohnsitz die Hauptstadt ist? Gäbe es das Problem „LDS-Taxen“ überhaupt, ohne das massenhafte unternehmerische Engagement von Berliner Taxiunternehmern? Leider ist die eindeutige Antwort: Nein – nur der rasante Zustrom von Berliner Unternehmern in den Landkreis hat die Berliner erst in diese Position gebracht.

 

Offensichtlich bringen Berliner Unternehmen dort die P-Schein-Aspiranten unter, bei denen es zum Erlernen der Berliner Ortskunde nicht gereicht hat oder denen dazu der Aufwand zu groß war. Dabei wird frech darauf spekuliert, dass es dem LDS - Gewerbe gelingt, von den Berlinern, im Gegenzug zu deren Vorfahrtsrechten am Flughafen BER, weitreichende Laderechte in Berlin zu erzwingen. Damit wäre dann der Plan der „schlauen“ Berliner Unternehmer aufgegangen: außer den verbürgten Rechten als LDS - Taxi am BER hätten sie auch noch zusätzliche Taxen in Berlin im Rennen; und das mit unvergleichbar geringerem Ausbildungsaufwand, als der von Berlinern Unternehmern und P-Schein-Schülern zu leisten ist.

 

Schlimm ist dabei auch die Qualität des Fahrpersonals; ohne Recht greifen sie sich heute schon Fahrgäste in Berlin und reagieren auch noch oft äußerst aggressiv, wenn sie von Kollegen auf ihr Fehlverhalten angesprochen werden. Das Berliner Taxigewerbe ist es seinen internationalen Gästen, aber auch jedem Berliner Kunden schuldig, sie vor Erfahrungen mit solchem Fahrpersonal zu schützen, was wir auch mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln tun werden.

  

Es geht dabei aber um mehr!

 

Und doch ist damit nur ein Teil des Problems gelöst, denn das Engagement von Berliner Unternehmern im Landkreis steht symptomatisch für engstirniges, auf den schnellen persönlichen Vorteil gerichtetes unternehmerisches Handeln in unserer Branche, das mittlerweile schon Tradition hat und unseren Handlungsspielraum als Gewerbe insgesamt massiv einengt. Es fehlt uns an Solidarität, an Bereitschaft zum kurzfristigen Verzicht, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Diese mangelnde Solidarität macht uns langfristig und dauerhaft zum Spielball anderer Interessen, weil wir denen nichts entgegen setzen können. 

 

Zwei weitere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit als Beleg:

 

Stichwort „Hamburger Modell“: 

an einem leider im falschen Sinne „denkwürdigen“ Abend im Jahre 2009 versammelten sich ca. zweihundert Mehrwagenunternehmer und verabredeten ein gemeinsames Lohnmodell, das alle ab sofort bei Neueinstellungen einheitlich anwenden wollten. Das war ein kluger Gedanke und diese Initiative sollte die Unternehmer vor der Erpressbarkeit durch Fahrer schützen, die im erbitterten Konkurrenzkampf um Fahrpersonal immer unrealistischere  Lohnforderungen stellten. Doch während sich im Saal noch alle einig waren und einander vertrauten, wurden schon auf dem Heimweg Fahrer untereinander abgeworben. Wer sich ehrlich an die Abmachungen hielt, erlitt schwere Verluste während andere Betriebe plötzlich dreischichtig ausgelastet waren. Und das ursprüngliche Problem, das gemeinsam gelöst werden sollte, besteht fort.

 

Stichwort „Transponder“:

ebenfalls in 2009 drohte die „Qualitätsoffensive“ der Flughafengesellschaft(ihr erinnert Euch)   am TXL zu scheitern, da es uns wochenlang gelungen war, den Verkauf der neuen Transponder zu boykottieren. Doch dann, förmlich über Nacht, explodierte der Absatz. Damit war der solidarische Widerstand gebrochen und jede weitere Kundgebung wäre nur noch lächerlich gewesen. Damals hieß es: „TaxiDeutschland ist am Flughafen eingeknickt.“ Richtig ist, dass mit jedem weiteren verkauften Transponder unser Protest weniger glaubhaft wurde. Wir haben, im Gegenteil, noch zur rechten Zeit die Kurve bekommen und für unser Gewerbe unter dem Strich am Flughafen deutlich an Einfluss gewonnen. Doch „Solidarität“ ist anders.

 

Keiner wird jetzt behaupten, im Grunde seien wir an allem selber schuld. Doch es zeigt wie wichtig gemeinsames Handeln ist. Wie wichtig es daher auch ist, sich zu organisieren und nicht nur zu schimpfen. Darin sehe ich die gemeinsame Verantwortung aller Taxibetriebe und das größte Potential an Veränderung. Die Berliner Taxiverbände sind auf einem guten Weg und klären mittlerweile die wichtigsten Sachfragen gemeinsam und tragen sie auch vereint vor. TaxiDeutschland steht für das konsequente Fortsetzen dieses Weges. Denn wo immer sich zu dem unklugen Verhalten einzelner Unternehmer auch noch die bisher gewohnte Profilierungssucht von Verbandsvorständen gesellte, ist unser leckgeschlagenes Schiff weiter voll gelaufen.

 

Gehen Sie jetzt, wo die Notwendigkeit des gemeinsamen Handelns sich in den Verbandsvorständen durchgesetzt hat, in die Verbände und werden Sie aktiv. Allen bereits organisierten Unternehmern will ich an dieser Stelle für ihr Engagement danken. Und bitte: lauft nicht gleich fort, wenn es einmal Enttäuschungen gibt. Damit nehmt ihr nicht nur euch selbst die eigene Mitbestimmungsmöglichkeit, sondern schwächt als  verlorenes Mitglied die Solidarität des gesamten Gewerbes. 

 

Wie geht’s weiter?

 

Erst mal ist für die weiteren Entscheidungen bezüglich unserer Beteiligung am BER ein wenig Luft. Die nächsten Gespräche auf offizieller Ebene sind für Februar angekündigt. Wir werden derweil weiter Überzeugungsarbeit leisten, die Entscheidung nicht alleine dem Landkreis zu überlassen. Wir werden keine Vereinbarungen abschließen, durch die wir unser Pflichtfahrgebiet preisgeben. Wir werden mit unseren Berliner Partnern eigene Ideen für einen Berliner Taxi-Service für den BER weiter entwickeln und uns nicht von Landkreis und Flughafengesellschaft abhängig machen. Ab Januar wird es keine LDS-Taxen mehr am TXL geben, wir müssen auf SXF verzichten. Die Vereinbarung für den BER, die es 400 LDS-Taxen ermöglicht hätte, überall in Berlin arbeiten zu können, wird am 30.06.2013 ungültig.

 

Am TXL werden jetzt noch einmal Millionen in Terminalerweiterung und Gepäckabfertigung investiert. Die beste Lösung für unsere Stadt wäre es, TXL zu erhalten und dem Standort BER, wie es in allen anderen Metropolen üblich ist, eine innerstädtische Konkurrenz zu präsentieren. Das Berliner Taxigewerbe sähe dies mit Freuden.

 

Wir sollten die Aufgaben entspannt angehen. Drängender sind die möglichst baldige Genehmigung unseres neuen Taxitarifs, Lösungen für die untragbare Situation am Hauptbahnhof und natürlich die Verfolgung der Betrüger am TXL, die nach Beendigung der Arbeit unseres Serviceteams wieder leben wie die Maden im Speck. 

 

Aber, liebe Leserinnen und Leser, die Lösung allen Unbills ist nah, denn, wie schon die Alten Römer wussten „ex oriente lux“,  will sagen, „die Erleuchtung kommt aus dem Osten“. So ist denn wohl auch der Vize-Landrat Schmidt (LDS) im Tagesspiegel vom 27./28. Oktober 2012 zu verstehen, der da vorschlug:

 

„… Berliner Taxiunternehmer (könnten) ja eine Lizenz in Dahme - Spreewald erwerben.“

 

In diesem Sinne, viel Spaß bei der Arbeit, wünscht Ihnen

 

Stephan Berndt.