Wir verändern die Statistik: Taxifahrer schnallt Euch an 

   – lasst uns potentiellen Tätern die nötigen Anreize

Der „Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR)“ hat angeregt, die Ausnahmen der Anschnallpflicht für Taxifahrer (§ 21a Abs. 1 Nr. 1 StVO) zu streichen. Begründung: Verkehrsunfälle seien eine weitaus größere Gefahr für Taxifahrer als Überfälle. Die Ausnahme von der Gurtpflicht diene aber nur dazu, sich bei Überfällen besser wehren bzw. flüchten zu können. Die Senatsverwaltung hat uns diesbezüglich um eine Stellungnahme gebeten.

 

 

Stellungnahme zur Frage der Aufhebung der Anschnallpflicht in Taxen und Mietwagen

 

„Allererstes Ziel für den Taxifahrer muss immer sein, unverletzt aus einer Gefährdungssituation heraus zu kommen. Kein Betrag der Welt rechtfertigt den „Heldentod“ oder eine schwere Verletzung! Die im Taxi anwendbaren Selbstverteidigungstechniken müssen erlernt werden. Sie dienen einzig und allein dazu, sich in einer lebensbedrohlichen Situation so zu wehren, dass man fliehen kann. (…)

 

Erfahrene Polizeibeamte haben die nun folgenden Verhaltenstipps erarbeitet, die vom Fahrpersonal bei Überfällen und Bedrohungen beachtet werden sollten, um gegenüber dem Angreifer einen gewissen Vorteil zu erlangen:

atmen Sie tief durch, um die Angst zu dämpfen, behalten Sie den Angreifer immer im Auge,  bieten Sie dem Gegner möglichst wenig Angriffsfläche, nehmen Sie keine Verteidigungs- stellung ein, das kann ungewollt aggressiv wirken, aber halten Sie die größtmögliche Distanz zum Angreifer, erwidern Sie keine Beleidigungen - das reizt den Gegner meist noch mehr,  konzentrieren Sie sich nur auf Verteidigungstechniken, die Sie auch wirklich beherrschen und handeln Sie fest entschlossen und schnell, lassen Sie sich nicht umklammern oder festhalten, verteidigen Sie sich, wenn nötig, durch Tritte und Stöße, spielen Sie nach einer erfolgreich angewandten Verteidigung nicht den Helden, sondern bringen Sie sich so schnell wie möglich in Sicherheit.“

                              (BZP – Sicherheitsbroschüre Seite15)

 

Deshalb sagt der Paragraph 21a der Straßenverkehrsordung (StVO): „Vorgeschriebene Sicherheitsgurte müssen während der Fahrt angelegt sein. 

Dies gilt nicht für            1. Taxi- und Mietwagenfahrer bei der Personenbeförderung

2. -6. ......“

 

„Diese Ausnahme von der Gurtpflicht wird den Taxifahrern vom Gesetzgeber zugestanden, um dem Taxifahrer im Falle eines Überfalles oder eines tätlichen Angriffs eine schnellere Flucht aus dem Taxi zu ermöglichen. Wir sollten diese Ausnahme als das sehen, was sie nach dem Willen des Gesetzgebers ist: eine Ausnahme. Das Gegenteil der ‚Ausnahme’ ist die ‚Regel’. Also, in der Regel soll auch der Taxifahrer angeschnallt sein! 

 

Ganz klar besteht Gurtpflicht bei Leerfahrten ohne Fahrgäste. Wer ohne Fahrgäste ‚oben ohne’ erwischt wird, ‚spendet’ 30 Euro in die Staatskasse. Ob bei Fahrten mit ‚Oma Krause’ zum Arzt oder mit ‚Dr. Dingenskirchen’ zum Flughafen akute Überfallgefahr besteht, dies darf mit ruhigen Gewissen in der Regel verneint werden. Also auch hier anschnallen. Da uns unsere Fahrgäste ja tatsächlich zu mehr als 99,99 Prozent wohl gesonnen sind, sollte sich die Inanspruchnahme der Ausnahme von der Anschnallpflicht auf wirklich die ganz, ganz wenigen ‚heiklen’ Fahrgäste beschränken.“

                                                                          (BZP – Sicherheitsbroschüre Seite 42)

 

Aber genau dafür ist die Ausnahme von der Regel gemacht worden und sollte auch erhalten bleiben. Einen wie eine Wurst in seinem Sitz mit dem Gurt fest gezurrten und völlig wehrlosen Kollegen, wie wir es bei einem Überfall in Berlin-Kreuzberg vor ca. drei Jahren erlebt haben, wollen wir nicht mehr sehen. Da wir wissen, dass sich die meisten Täter erst aus der Situation heraus zu einem Überfall entscheiden, sollte das Verhindern solcher „Anreize“ nicht mit Bußgeld bedroht werden. „Die allerbeste Strategie gegen Taxiüberfälle ist, zu erreichen, dass niemand auf die Idee kommt, einen Taxifahrer zu überfallen. Das Stichwort heißt Anreizverminderung.“

                           (BZP – Sicherheitsbroschüre Seite 8)

Die Auswertungen der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (BGF) sprechen zwar eine deutliche Sprache, können uns aber nicht gänzlich von einer generellen „Taxifahrer-Gurtpflicht“ überzeugen: 

„Zwischen 1989 und 2005 kamen 326 Taxifahrer während des Dienstes um Leben. 67 Todesfälle gingen auf das Konto ‚Überfälle und Tätlichkeiten’. 259 Kolleginnen und Kollegen verstarben in diesen 16 Jahren an den Folgen von Verkehrsunfällen. Das sind 80% aller Todesopfer! Noch krasser sieht es bei den meldepflichtigen Verletzungen aus, hier gingen durchschnittlich 95% auf das Konto von Unfällen und nur 5% waren die Folgen von Tätlichkeiten.“

               (BZP – Sicherheitsbroschüre Seite 42)

Aber: zwingen wir die Taxifahrer, sich auch in den oben beschriebenen Ausnahmesituationen anzuschnallen, wird die Statistik sich mit Sicherheit dahin gehend verändern, dass künftig ein weitaus höherer Anteil von Verletzungen und Todesfällen auf das Konto von Überfällen geht. Sollen wir das ausprobieren, in dem wir die StVO ändern?

„Selbstverständlich sollen auch die Fahrgäste angeschnallt sein. Ein unangeschnallter Fahrgast, der bei einem Unfall als 80kg-Geschoss von hinten angeflogen kommt, kann durchaus tödliche Folgen für den Fahrzeugführer haben! Und noch ein sehr guter Grund spricht für die Anschnallpflicht der Fahrgäste: Solange sie ‚festgebunden’ sind, können Sie Ihnen kaum gefährlich werden!“  

                          (BZP – Sicherheitsbroschüre Seite 42)

Umkehrschluss: wer „festgebunden“ ist, kann sich nicht zur Wehr setzen oder flüchten.

Resumée:

Die Ausnahme von der Anschnallpflicht soll Bestand haben, ihre Inanspruchnahme sich aber wirklich auf die ganz, ganz wenigen „heiklen“ Fahrgäste beschränken.

Sinnvoller wäre u. E. eine umfassendere Ausbildung des Taxifahrers, zu der auch Konflikttraining und Fahrsicherheitstraining gehören müssten, deren Nachweis bei jeder P-Schein-Verlängerung aufs Neue erbracht werden sollte. Damit wären sowohl Unfälle, als auch Überfälle zu vermeiden. Diese Angebote, so könnten Sie einwenden, gibt es doch schon längst. Das ist richtig, aber wir sind dafür, dies nicht nur anzubieten, sondern zwingend zu fordern. Dann wäre die Personenbeförderung im Taxi für unsere Kunden und unsere Beschäftigten sicherer und entspannter.

Irene Jaxtheimer. 

 

Zitiert wurde aus:

„Taxi fahren - aber Sicher! Verkehrssicherheit - Arbeitssicherheit - Schutz vor Kriminalität“, Band 3 der Schriftenreihe des BZP, erarbeitet vom „BZP-Arbeitskreis Sicherheitsbroschüre“: Dieter Wender, Wolfgang Verbeek, Wolfgang Suhr, Hans-Gerd Gutendorf.